Verkehrskunde und Krankheiten: Wenn Betrüger:innen Kinder als Lockmittel einsetzen
Nun sind „normale“ Betrugsmaschen im Internet schon ärgerlich. Wirklich letztklassig wird es aber, wenn Kriminelle die Sorge um Kinder für ihre Zwecke missbrauchen. Zwei Fälle stechen hier aktuell besonders hervor. Im einen geht’s um Krankheiten, im anderen um Verkehrserziehung. Das Ziel beider Vorgehensweisen ist das Lukrieren von „Spenden“. Fall Nr. 1: Kindundkrebs.eu Hier nutzen die Betrüger:innen gleich zwei sensible Themen, um ihre Opfer zu einer Überweisung zu bewegen. Kinder und Krankheiten. Die Masche läuft in der Regel folgendermaßen ab: Die Kriminellen versenden E-Mails an verschiedenste Unternehmen. Ein Muster lässt sich nicht erkennen, die Auswahl erfolgt rein zufällig. In diesen E-Mails schildern sie kurz ihr vermeintliches Projekt. Es geht um ein „kindergerechtes Sachbuch über Krebs“, entwickelt in „Zusammenarbeit mit Fachleuten“. Dieses soll einer im Mail konkret benannten Klinik oder Gesundheitseinrichtung gespendet werden. Ziel ist, „Kindern und ihren Familien Mut und Unterstützung zu geben“. Wer kann da schon nein sagen… Aus Kostengründen werden Lieferungen immer erst ab einer Stückzahl von 50 Büchern in Auftrag gegeben. Aktuell fehlt nur noch eine geringe Zahl an Exemplaren, um diese Marke zu erreichen. Jede Spende zählt also. Schon der kleine Betrag von 14,90 Euro ermöglicht den angeblichen Druck eines weiteren Buches. Als kleines Dankeschön wird das Firmenlogo der Spender:innen auf der Buchrückseite und auf der Website des vermeintlichen Vereins platziert. Das Anbahnungsmail im Wortlaut (bitte Klicken) Sehr geehrter Herr XXX,ich hoffe, es geht Ihnen gut.Ein kindgerechtes Sachbuch über Krebs, das wir in Zusammenarbeit mit Fachleuten entwickelt haben, um betroffenen Kindern und ihren Familien Mut und Unterstützung zu geben.Diese Bücher werden an das XXX, verschickt, um den Familien in dieser Region ein Stück Hoffnung und Trost zu schenken.Um den Versand effizient zu gestalten, verschicken wir die Bücher immer, wenn mindestens 50 Exemplare gesammelt wurden. Aktuell fehlen nur noch 20 Bücher, um diese Zahl zu erreichen. Mit jeder eingesparten Versandkosten können wir mehr Bücher drucken und mehr Unterstützung leisten. Mit einer Unterstützung von 14,90 Euro (zzgl. MwSt.) ermöglichen Sie das Drucken eines weiteren Buches. Als Dankeschön platzieren wir Ihr Logo auf den gesponserten Büchern, und ein Teil der Einnahmen wird an Krebshilfe-Organisationen weitergeleitet.Wir würden uns von Herzen freuen, wenn Sie uns unterstützen und damit betroffenen Kindern und Familien ein besonderes Geschenk machen könnten.Mit herzlichen Grüßen, Überweist ein Opfer tatsächlich den gewünschten Betrag oder mehr, hat die Falle der Betrüger:innen zugeschnappt. In Wahrheit gibt es nämlich keinen Verein „Kindundkrebs.eu“, kein entsprechendes Buch-Projekt und keine unterstützten Familien. Seriöse Krebshilfe-Vereine und Kliniken warnen auf ihren Webseiten vor dieser Betrugsmasche. info icon Spender:innen erhalten ein Buch. Im Zuge unserer Recherchen hat sich gezeigt, dass zumindest in einem Fall tatsächlich ein „Belegexemplar“ an Spender:innen versendet wurde. Dieses war allerdings von äußerst bescheidener Qualität. Die versprochene Lieferung an konkrete Einrichtungen gab es hingegen nie. Fall Nr. 2: Kinderverkehrswelt.de Andere Thematik, gleiche Vorgehensweise. Im Zentrum dieser Betrugsmasche stehen keine Krankheiten, diesmal geht es um Verkehrserziehung. Ebenfalls ein wichtiges Thema, für das man doch gerne seine Geldbörse öffnet. Verantwortlich ist die vermeintliche Initiative „Kinderverkehrswelt“. Mitarbeiter:innen melden sich telefonisch bei potenziellen Opfern und stellen das Projekt kurz vor. Die grundlegenden Charakteristika des Scams sind ident mit jenen von Kindundkrebs.eu. Es geht wieder um Bücher, die an ganz konkrete Stellen verteilt werden sollen. In diesem Fall an Kindergärten. Auch hier wird als „kleines Dankeschön“ das Firmenlogo der Spender:innen auf dem Buch und der Website zu sehen sein. Info Icon Warum immer Kufstein? Eine seltsam anmutende Gemeinsamkeit weisen die vorgestellten Betrugsmaschen noch auf: Beide Initiativen haben ihren Sitz angeblich in Kufstein (Tirol). An den genannten Adressen sind die vermeintlichen Vereine selbstverständlich nicht zu finden. Besondere Gefahr: Der Follow-up Scam Im Zuge der Recherchen konnten wir ein weiteres Phänomen aus der Welt des Onlinebetrugs beobachten, den sogenannten „Follow-up Scam“ – auf Deutsch: Folgebetrug. Haben Kriminelle in der Vergangenheit bei einem Opfer Erfolg gehabt, werden sie es in Zukunft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nochmal bei ihm versuchen – diesmal mit einer anderen Masche oder einer anderen Identität. Oder sie machen es wie in diesem Fall und beziehen sich ganz offensiv auf frühere Kontaktaufnahmen. Dadurch vermitteln sie Kontinuität und verleihen ihren Machenschaften den Anschein von Legitimität. Welcher Kriminelle würde schon eine alte Straftat zugeben, um eine neue zu begehen? Diese Betrüger:innenbande macht es. Und zwar mit folgendem Wortlaut:„Sehr geehrter Herr XXX vorab hoffe und wünsche ich, dass es Ihnen und Ihrer Familie gut geht. 🙂 Sie haben in der Vergangenheit mit der […] unser Projekt Schutz für Kinder mit insgesamt 10 Lehrbüchern für die Verkehrserziehung unterstützt. Dieses Jahr haben wir ein weiteres Projekt, bei dem wir gemeinsam mit der Unterstützung von Spezialisten, ein Sachbuch über Krebs entwickelt haben, welches in kindgerechter Form die Krankheit als auch den Umgang damit erklärt. […]Konkret geht es um den Verein „Schutz für Kinder Medien“, der sowohl im Umfeld von Kindundkrebs.eu als auch von Kinderverkehrswelt.de aufgetaucht ist. Wer also Post von eben diesem Verein bekommt, sollte sie tunlichst ignorieren und keinesfalls etwas spenden! Geld an Betrüger:innen überwiesen? Was Sie jetzt tun können Wer den Betrüger:innen in die Falle gegangen ist und Geld direkt auf das angegebene Konto überwiesen hat, wird es vermutlich nicht wiedersehen. Die Chancen sind jedenfalls sehr gering. Betroffene können aber zumindest dafür sorgen, dass in Zukunft weniger Gefahr von den Kriminellen ausgeht. Erstatten Sie kostenlos Anzeige bei der Polizei! Nur wenn die Behörden von der Betrugsmasche wissen, können sie etwas dagegen tun. Seien Sie in Hinblick auf einen Folgebetrug wachsam. Kriminelle versuchen ihr Glück immer wieder bei ihren alten Opfern. Bleiben Sie auf dem Laufenden! Wer die aktuellen Fallen der Betrüger:innen kennt, wird nicht auf ihre Tricks hereinfallen.